Leute machen Kleider

Man braucht nicht mehr viel, um heute Kleider zu machen. Man braucht so etwas wie eine Idee. Man braucht idealerweise ein bisschen Verständnis für Grafik. Im Wesentlichen aber braucht man einen Full-Service-Lieferanten und im Handumdrehen hat man seinen eigenen Online-Shop voller toller T-Shirts und anderer Kleider, die sich wie blöd verkaufen. So weit die Theorie. Nun zur Praxis.

Zürich: Eine Werbekampagne hämmert mir ein, ich sei Deutschland. Ich finde, ich bin ganz was anderes, und denke, viele andere sind auch nicht Deutschland. Ich bin Berlin, zum Beispiel. Oder ich bin Schweiz. Dazu könnte ich was schreiben, finde ich, reserviere die URL i.ch-b.in und fange an zu Bloggen über i.ch-b.in/berlin und i.ch-b.in/schweiz. Und nebenbei werde ich so stolz auf dieses Stück URL-Design, dass ich’s gerne spazieren führen würde. Zum Beispiel als T-Shirt.

Im Netz: Kurz mal «t-shirt druck» gegoogelt, und ich stelle fest, dass ich längst nicht mehr in den Copy-Shop um die Ecke muss, um zu einem eigenen T-Shirt zu kommen. Wahre Massen von Firmen geben Geld für Adwords-Anzeigen aus, um mir ihre Dienste als Hersteller meiner T-Shirts anzubieten. Ein paar von denen gehen sogar noch weiter: Sie würden mir sogar einen Shop einrichten, in dem die ganze Welt meine Kreation bestellen kann. Ich bin begeistert: So schnell ist noch nie eine Idee zum Imperium geworden.

Leipzig: Die Kandidaten, die mein Full-Service-Lieferant werden können, fallen einer nach dem anderen unter den Tisch. Der eine scheint toll, liefert aber aus den USA. Wie lange soll ich auf die Shirts warten? Ein anderer liefert aus Deutschland nicht in die Schweiz. Ein dritter kann nur Digitaldruck. Wie selten soll ich das Shirt waschen? Übrig bleibt Marktführer spreadshirt.net.

Zürich: Mein erstes T-Shirt braucht keine Schachtel, ein grosser Briefumschlag reicht, und so liegt es fast unscheinbar, zwischen Rechnungen und Werbung, in meinem Briefkasten. Voller Vorfreude packe ich es aus, und – in all meinen Stolz mischen sich ein paar Bedenken: Hätte der Schriftzug nicht etwas tiefer sitzen sollen? Hätte die obere Zeile mit dem i.ch-b.in/ die untere Zeile mit berlin nicht etwas stärker überlappen sollen, beide etwas mehr auf der Mittelachse?

Im Netz: Die Druckvorlagen für i.ch-b.in/berlin, i.ch-b.in/hamburg und i.ch-b.in/schweiz, in kurzem Abstand nacheinander auf den Server hochgeladen, sehen irgendwie alle leicht anders aus, nachdem spreadshirt sie freigeschaltet hat. Manche werden mit lapidaren automatisierten Begründungen abgelehnt, wieder andere offensichtlich von irgendwem nachbearbeitet. Keine zwei sind mehr gleich. Im Spreadshirt Forum stelle ich fest, dass sich andere Shoppartner sich mit diesem Umstand längst abgefunden haben. Ich mich nicht.

Leipzig: Ist dieses Unternehmen doch nicht ganz so virtuell? Wenn dort Menschen Spielraum haben zu entscheiden, wie sie meine Entwürfe verändern, damit sie drucktechnisch passen, dann muss es doch auch einen Menschen geben, mit dem ich darüber reden kann, was ich tun muss, damit das nicht nötig ist? Eine Grafikerin im Service nimmt sich Zeit und ist freundlich. In vielen Mails hin und her schaffen wir es, dass ich die Druckvorlagen so anliefern kann, dass alle gleich wirken. (Ein paar Wochen lang. Ich habe nicht mehr gefragt, warum die neuesten Motive, nach dem gleichem Muster gestrickt, seit dem 8. Juni dann doch wieder anders aussehen.)

Zürich: Auch wenn’s die Vorlagen jetzt sind, die Shirts sind deshalb noch lange nicht gleich. Der Schriftzug ist gelegentlich richtig platziert, meist aber zu hoch. Eines Tages kommt ein Shirt, da ist nichts mehr zentriert, alles nach links gerutscht. Innerlich raste ich aus: Erst lange warten, und dann schief aufgebrachte Typo bekommen? Was, wenn nicht ich persönlich diese Lieferung bekommen hätte, sondern einer meiner Leser?

Leipzig: Nach aussen bleibe ich ruhig, ich versuche einfach was passiert, wenn ich ganz geschäftsmässig umtausche. Und mache wieder die Erfahrung: Alles ist nett. Alles braucht seine Zeit. Aber alles passiert tatsächlich, und es passiert ganz kulant. (Netter Versuch übrigens, Leute, mir 4 Euro Rabatt anzubieten, damit ich die Ware, die ich tatsächlich umtauschen will, doch lieber behalte…)

Zürich: Wegen Fussball bin ich doch Deutschland. Und wie’s zeitweilig aussieht, fast schon Weltmeister. Dumm nur, dass wegen der WM spreadshirt so viel zu tun hat, dass sie mit Liefern gar nicht mehr nachkommen. Statt zwei Tagen für die Fertigung brauchen sie jetzt sieben. Und zwar sieben Werktage, was manchmal neun Tage sind, manchmal elf, je nachdem, ob noch ein zweites Wochenende dazwischen fällt. Plus Postweg. Wenn ich also ein Shirt entwerfe, auf dem steht i.ch-b.in/weltmeister - schaffe ich es dann noch rechtzeitig?

Luzern: Ein Zufallsfund im Kaufhaus coop-city. Rote T-Shirts gibt’s in der Schweiz zur WM ja viele. Die meisten sind wie dieses hier vorne und hinten schön siebbedruckt. Aber nicht bei allen ist der Hersteller der Rohware so leicht zu erkennen. Hier sagt das Etikett: BC-Europeanstyle Exact 190. Das ist genau Shirt, das spreadshirt unter dem Namen Comfort T führt, und das ich dort einseitig beflocken lasse. Zu einem Einkaufspreis, den das hier im Verkauf kostet. Ja, bin ich eigentlich blöd?

Leipzig: Es ist Freitag, der Versand meiner Prototypen i.ch-b.in/weltmeister wird per Mail bestätigt. Irgendwer packt die drei dünnen Shirts nicht in einen Umschlag, sondern dieses Mal in einen Karton, in dem locker zwanzig Taschenbücher Platz gehabt hätten. Gross wie es ist, bleibt das Paket im Zoll hängen. Kann am Dienstag abgeholt werden. Dumm nur, dass i.ch-b.in/schweiz, das Team zum rot-weissen Weltmeister, am Montag im Achtel nach drei verschossenen Elfern ausgeschieden ist. Es bleiben noch ein paar Tage, das weiss-schwarze Shirt in aller Hoffnung zu tragen. Nur für Daniele ist das alles sehr, sehr rechtzeitig: Der hat jetzt vier Jahre Zeit, das blau-weisse zu tragen.

Zürich: Wenn ich weiterhin schnell reagieren will, darf ich meine Prototypen nicht mehr virtuell machen lassen - sie müssen hier entstehen. Vielleicht doch wie früher im Copy-Shop um die Ecke, während ich an der Theke warte. Dann kann ich mein eines selbstgemachtes T-Shirt gleich anziehen. Wenn ich allen, die zu i.ch-b.in Artikel beisteuern, weiterhin ein Shirt schenken will, dann sollte ich mir vielleicht lieber bei ebay einen gebrauchten Schneidplotter und eine Bügelpresse kaufen und ein paar Shirts und genügend Flockfolie einlagern. Oder gleich 50 Stück schön und günstig Siebdrucken lassen und mir in aller Ruhe auf Lager legen.

Berlin: Bei meinen nächsten Besuch in Berlin werde ich mir den Laden von spreadshirt angucken, der neu aufgegangen ist und derby heisst. Ich freue mich darauf, dass echte Leute Kleider ausstellen, die von Leuten echt physisch angefasst werden können. Vielleicht macht mich das ja glücklicher als virtuelle Shirts. Aber das ist eine andere Geschichte…

Leipzig: spreadshirt als Unternehmen scheint durchaus glücklich zu werden. Im Jahr 2002 ohne Kapital gegründet beschäftigt der Laden heute 200 Mitarbeiter, nennt sich selber immer noch gerne Studentenbude und veröffentlicht den Jahresumsatz nicht, den er aus den Designs, der Kreativität und der Vermarktungspower seiner 120.000 Shoppartner erzeugt. Leuten wie mir. Leuten wie dir?

Im Netz: Offensichtlich braucht es auch heute noch immer viel, um gute Kleider zu machen. Leute nämlich. Und ihren geballten Sachverstand, jeder für seine Spezialität. Drum meine Frage: Was sind deine Erfahrungen im T-Shirt-Business? Hast du mit deinen Projekten andere Full-Service-Dienstleister ausprobiert? Viel bessere Erfahrungen mit spreadshirt gemacht als ich? Hast du anderswo spannende Lektüre zum Thema entdeckt? Dann diskutier mit mir, gleich hier, in den Kommentaren.

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