Wenn du Deutschland bist, wer bin dann ich?

Vor einer Weile hat eine Werbekampagne versucht mir weiszumachen, ich sei Deutschland. Sie hat mich direkt angesprochen, mich geduzt dabei, und mir gesagt: «Du bist Deutschland.» Ich fand das daneben.

Ich fands nicht erst daneben, als Bilder davon auftauchten, dass dieser Spruch schon mal Nazis als Transparent neben einem Bild von Adolf Hitler gedient hat, wie es Johnny Haeusler im spreeblick.com zeigt – wäre ja auch unwahrscheinlich, wenn deren Propaganda-Maschine sich diese Headline hätte entgehen lassen.

Ich fands nicht nur deshalb daneben, weil die Kampagne aus der satten Position des Erfolgswerbers daher kommt. Und es schnell zynisch wirkt, wenn so einer im Du mit dem Zeigefinger auf diejenigen zeigen lässt, die gefälligst ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen sollen, worüber sich Patrick Breitenbach im werbeblogger zu recht aufregt.

Sicher: auch deshalb fand ich diese Kampagne daneben.
Aber vor allem, weil sie einfach falsch ist.

Niemand, den ich kenne, ist Deutschland – und das liegt nicht daran, dass ich keine Deutschen kenne. Im Gegenteil: eigentlich hat sogar die Mehrheit der Menschen, die ich in meinem Leben je kennengelernt habe, die deutsche Staatsbürgerschaft. Aber ich kenne wenige in meinem Alter, die – im Ausland von Ausländern befragt – als erstes erzählen, sie seien Deutsche.

Wer wie ich aus Berlin stammt, sagt: «Ich komme aus Berlin.» Das macht die Sache einfach: Man ist nicht Deutschland. Sondern etwas, was viele anderswo für wirklich cool halten. Und ich nehme an, das machen nicht nur Berliner so. Wenn Amerikaner oder Japaner etwas typisch deutsches bauen wollen, dann schreiben sie hinterher «Hofbräuhaus» über die Tür und verkennen, dass sie vor allem etwas bayerisches kopiert haben – und nur über diesen Umweg irgendwie auch etwas deutsches.

Bevor also noch eine weitere Welle werblicher Stimmungsmache uns einreden möchte, wenn wir nur endlich Deutschland wären, würde es uns allen besser gehen, möchte ich hier mit euch darüber nachdenken, was wir wirklich sind.

Ich zum Beispiel werde deshalb hier darüber schreiben, dass und warum i.ch-b.in/berlin. Ausserdem darüber, wie ausserdem i.ch-b.in/schweiz – denn da lebe ich seit einigen Jahren. Und auch wenn das geografisch fast tausend Kilometer voneinander entfernt ist, in meinem Herzen liegt es dicht beieinander.

Zwischendurch werde ich auch sonst alles, was ich auf der Suche nach meiner Identität herausfinde, mir auf die Brust schreiben und der Welt stolz zeigen. Und ich hoffe, ich bin nicht der einzige. Denn jede Diskussion ist einfach fruchtbarer mit mehreren Teilnehmnern.

Also: Macht mit. (Wie das geht, steht hier.) Und zeigt der ganzen Welt, wer ihr seid.

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